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letzte Änderung:
2023-08-14 22:21

Politik

Beamtenbund warnt: Baby Boomer gehen in Rente, 2023-08-14

In den vergangenen Tagen warnten diverse Gewerkschaften davor, dass der Fachkräftemangel zu einer Handlungsunfähigkeit des Staates führen könnte, weil in den nächsten Jahren ein vergleichsweise sehr großer Anteil der Beamten in den Ruhestand gehen.

Dies sollte man nicht generalisiert, sondern eher sehr differenziert betrachten, was ich hier an zwei Beispielen durchführe.

Lehrer
Tatsächlich haben die Landesregierungen (dieses Thema ist Ländersache) jahrzehntelang zugeschaut, wie die Kollegien an den Schulen gealtert sind. Es war schon sehr lange aufgrund der Altersverteilung beim Lehrpersonal absehbar, dass ziemlich viele Lehrkräfte in einem kurzen Zeitraum in den Ruhestand gehen werden. Aber genauso wie sie immer mal wieder völlig überrascht waren, wie viele i-Dötzchen 6 Jahre nach ihrer Geburt zu den Grundschulen angemeldet wurden, scheinen sie auch jetzt wieder überrascht. Auch auf meinen Schulzeugnissen aus den 1970er Jahren gibt es diverse Einträge mit „nicht erteilt (Lehrermangel)“. Aus meinen Jahrgängen – noch mehr in den folgenden Jahrgängen, also Mitte der 1960er bis Anfang der 1970er Geburtsjahrgänge – wurden viele, die Lehramt studiert hatten, nicht übernommen und mussten sich anderweitig orientieren. Sie schulten um, z. B. auf die aufkommende IT. Solche vom Arbeitsamt (so hieß das damals noch) finazierten Kurse habe ich damals unterrichtet, denn ich war ja bereits ITler.

Wir haben hier also tatsächlich ein großes Problem. Die Übernahme von Quereinsteigern in den Lehrerberuf kann hier eine Entlastung bieten. Ähnliches wurde zu meiner Schulzeit auch gemacht, sogar davor (die sogenannten Mikätzchen an den Grundschulen). Der Erfolg war nicht immer garantiert, aber immerhin. Die Versäumnisse der Landesregierungen (aller Parteien, die irgendwann einmal in den letzten Jahrzehnten Regierungsbeteiligung hatten) sind offensichtlich.

Ohne mehr Lehrkräfte sind die Herausforderungen an den Schulen nicht zu schaffen. Eine Lehrkraft kann nicht einfach viel mehr Kinder unterrichten.

Verwaltungsbeamte
Während die Altersverteilung der Verwaltungskräfte ähnlich, aber nicht ganz so schlimm aussieht, sind die Implikationen meiner Auffassung nach völlig anders. In den Amtsstuben sitzen die Beamten herum, ohne die ihnen obliegenden Aufgaben zu erfüllen. Die Corona-Krise haben sie genutzt, die offenen Ämter abzuriegeln und Zutritt nur noch mit vorheriger Terminvereinbarung zu genehmigen. Allerdings erwarteten sie auch während der Corona-Einschränkungen ihrerseits, problemlos und ohne Genehmigung und Termin in Geschäften einkaufen zu können. Das allein ist schon eine Frechheit. Zu all dem kommt aber, dass die Ämter nach dem Ende aller Einschränkungen nicht wieder zum Normalmodus zurückgekehrt sind, sondern dass nach wie vor der Zutritt über Terminvergaben geregelt wird und sehr viele Anträge liegen bleiben. Das gilt für Bauanträge wie für Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen, Einbürgerungen und das Anmelden von Autos.

Beim Kölner Ausländeramt stapeln sind in der ersten Hälfte des Jahres 2023 rund 25000 Anträge, in Herne werden im August 2023 Vorsprachetermine für Einbürgerungen für das Jahr 2025 vergeben. Auch wenn in den Gesetzen steht, dass Personalengpässe keine Entschuldigung für das Nicht-Bearbeiten von Anträgen sein kann und eine Behörde vor dem Verwaltungsgericht wegen Nichthandelns verklagt werden kann, reden sich die Ämter immer noch damit heraus. Leider sind zu wenige Bürger und Unternehmer bereit, den Gang zum Verwaltungsgericht anzutreten. Das liegt auch daran, dass sie bei Ermessensentscheidungen mit anschließenden Nachteilen rechnen (müssen).

Wenn man Berichte von Bürgern über ihre Erlebnisse bei Ämtern hört, wird klar, dass es diverse Probleme gibt. Die Beamten aus den Jahrgängen, die in den nächsten 5 bis 10 Jahren in den Ruhestand gehen werden, sind in erster Linie digitalfeindliche Innovationsbremsen. In den Amtsstuben wird heute noch immer gefaxt, Rechner sind langsam, Fachanwendungen kommunizieren nicht miteinander, und die Beamten sind im Umgang mit digitaler Technik unbeholfen. Wenn heute jemand heiraten möchte, müssen die angehenden Eheleute Abstammungsurkunden von ihren Geburtsstandesämtern besorgen und dem Heiratsstandesamt vorlegen. Es gibt keine Möglichkeit, dass ein Standesamt diese auf unkomplizierte Art direkt beim anderen Standesamt digital abruft.

Daher meine klare Ansage: Lasst uns die Chance nutzen, diese „Dinosaurier“ in den Ämtern endlich loszuwerden. Ohne diese können die verbleibenden jüngeren Beamten die gesamte Arbeit locker besser schaffen – wenn einige Voraussetzungen erfüllt werden.

  1. Die Ämter müssen mit adäquater, vernetzter IT ausgestattet werden. Da bei den jeweils gleichen Ämtern verschiedener Kommunen dieselben Aufgaben anfallen, sollte entsprechende Software einheitlich erstellt werden. Nicht länger Sonder- und Insellösungen, keine Frickelei mit Textverarbeitungsmakros usw., Entfernung sämtlicher Faxgeräte, Ermöglichung der signierten und verschlüsselten Kommunikation mit dem Bürger über PGP- und S/MIME-Zertifikate, rein elektronische Akten, Abschaffung von DE-Mail. Annahme aller Anträge auf digitale Weise ermöglichen – aber nicht erzwingen, denn es gibt auch noch (vorwiegend ältere?) Bürger ohne Computer und ohne Smartphone.
  2. Befähigung der Beamten, diese neue IT-Infrastruktur zu nutzen. Einstellung bzw. Beauftragung von ausreichend Fachpersonal, Schulung aller Mitarbeiter.
  3. Anpassung der Vergütung für Beamte, so dass nicht nur die Viererkandidaten eines jeden Jahrgangs in der öffentlichen Verwaltung landen, weil sie in der freien Wirtschaft keine der deutlich besser bezahlten Stellen finden konnten. Honorieren von Leistung, also Geschwindigkeit und Bürgerzufriedenheit.
  4. Schaffung einer Arbeitsatmosphäre, bei der das Erledigen von Aufgaben zur Maxime wird, wo Arbeitszufriedenheit herrscht und nicht nur auf die nächste Pause oder den Feierarbend gewartet wird. Die oben genannte gute Ausstattung gehört genauso dazu wie Vorgesetzte, die sich für die Aufgaben und Mitarbeiter interessieren und Freude an der Arbeit vermitteln sowie ihre Wertschätzung äußern. Hierzu wurde schon viel geschrieben, z. B. von honestly oder der Agentur Junges Herz. So wie sich Lehrer freuen, wenn die Kinder etwas gelernt haben und können, so müssen sich Beamte freuen, wenn sie dem Antrag eines Bürgers kurzfristig entsprechen.

Gerichtsurteile in Italien, 2009-10-07

Heute sind in Italien zwei bedeutende Gerichtsurteile gefällt worden, zu denen man den Italienern und der Justiz nur gratulieren kann. Ministerpräsident Berlusconis Gesetz, das ihn selbst vor Verfolgung durch die Strafbehörden schützt, wurde durch den Verfassungsgerichtshof zu Fall gebracht. Elias Bierdel von der Organisation Cap Anamur und der Kapitän des Schiffs, mit dem vor rund 5 Jahren Flüchtlinge nach Italien gebracht wurden, sind im Verfahren wegen Begünstigung der illegalen Einreise freigesprochen worden.

Während das eine Urteil durch das höchste Gericht des Landes gesprochen wurde und damit nicht mehr angefochten werden kann, sieht das beim Strafverfahren anders aus. Hier ist noch der Gang zur nächsthöheren Instanz durch die Staatsanwaltschaft möglich. Es bleibt zu hoffen, dass das nicht geschieht.

Vor dem Hintergrund der oft nicht so unabhängigen, dafür aber oft inkompetenten Justiz – nicht nur in Italien – kann man sich angesichts dieser Urteile vor den Richtern nur tief verbeugen.

Bundestagswahl 2009, 2009-09-29

Die Wahl ist gelaufen, das Ergebnis steht unverrückbar fest. Pech für die SPD und für die Grünen. Die SPD hat noch schlechter abgeschnitten als verdient, die Grünen haben zwar ein Rekordergebnis erzielt, aber das bringt außer einer Vergrößerung der Fraktion zunächst nichts.

Was bringt die neue Regierung? Zunächst einmal zwei Personalien, die von Interesse sein könnten. Dass Guido Westerwelle als einen wichtigen Posten für die FDP das Auswärtige Amt bekommen wird, ist schon fast Tradition nach Genscher und Kinkel. Da können wir nun gespannt sein, wie er sich bei Staatsbesuchen in Ländern wie Iran, Saudi-Arabien, Jemen, Zimbabwe und Jamaika machen wird, in denen er als Gesetzesbrecher gilt. Im Iran und in Saudi-Arabien droht im gar die Todesstrafe – mit Schwulen haben sie dort kein Erbarmen. Wie wär's, wenn er dort mit seinem angetrauten Lebenspartner auftaucht? Zu provokant oder ein klares Statement für Menschenrechte?

Das Justizministerium könnte nach 13 Jahren Pause erneut von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger besetzt werden. Damals trat sie aus Protest gegen den großen Lauschangriff zurück. Den gibt es immer noch – kann sie ihr Amt unter den Umständen überhaupt antreten? Was wird die FDP bei den Koalitionsverhandlungen an liberaler (nicht wirtschaftsliberaler) Politik durchsetzen? Wird die FDP diesbezüglich zum Umsetzer von Forderungen der Piratenpartei, die mit leider nur 2 Prozent einen Achtungserfolg hat erringen können?

Der größte Überwacher, der bisherige Innenminister Wolfgang Schäuble wird wohl nach Europa "abgeschoben", dort kann er bezüglich Einschränkung von Freiheit durch Überwachung weniger Schaden anrichten.